Warum lehnt die Ladestation mein 11kW-Ladekabel ab?

Technik Ladekabel

Ist man mit einem 11kW-Ladekabel unterwegs, passiert es öfter einmal, das eine öffentliche Ladestation das Kabel nicht akzeptiert. Man packt also sein Ladekabel aus, sucht die Ladekarte, und nachdem man alles zusammengesteckt hat: rotes Licht, kein Strom, und im besten Fall noch den Hinweis, das es am mitgebrachten Ladekabel liegt. Es gibt viele öffentliche Ladestationen, die sich so verhalten, daher rate ich dazu, ein 22kW-Ladekabel zu kaufen.

TODO: Bild einer entsprechenden Fehlermeldung einfügen, hat jemand so eines?

Was mag die Ladestation denn nicht?

Eine der zentralen Aufgaben einer Ladestation ist es, sich um die elektrische Sicherheit beim Laden zu kümmern. Der Laderegler baut dazu eine Kommunikation mit dem Fahrzeug auf, kommuniziert den zulässigen Maximalstrom, und überwacht die Ladeleitung. Das Ladekabel bringt dafür zwei Signalleitungen mit: CP und PP. Der Proximity Plug (PP) genannte Kontakt wird dazu genutzt, um die zulässige Strombelastbarkeit in Ampere sowohl an das Auto, aber auch an die Ladestation zu kommunizieren1. Bei einem 11kW-Kabel wird die maximale Strombelastbarkeit mit 20 Ampere angegeben, beim 22kW-Kabel sind es 32 Ampere.

Die Ladestation prüft also zum Ladebeginn nicht nur, ob da ein Auto angesteckt ist, sondern auch, ob sie sicherstellen kann, dass der vom Ladekabel angegebene Maximalstrom nicht überschritten werden kann. Wohlgemerkt: Hier geht es nicht darum, einen maximalen Ladestrom via CP an das Auto zu schicken, sondern darum, einen sicheren Ladevorgang auch bei einem Kurzschluss zu garantieren. Die Leistungsvorgabe via CP ist quasi nur die Bitte der Ladestation an das Auto, nicht mehr Strom aufzunehmen. Ein Kurzschluss wird diese Bitte aber gegebenenfalls einfach ignorieren.

Der in der Ladestation integrierte Leitungsschutzschalter (LS) muss also so gewählt sein, dass er bei einem Kurzschluss das Kabel zuverlässig vor Überlastung schützt. Das ist etwas völlig anderes, als den Schütz der Ladestation zu öffnen, denn: Wir reden ja von einem Fehlerfall. Eventuell kann sich der Schütz gar nicht mehr öffnen, zum Beispiel, weil er mechanisch verschweißt ist. Daher setzt man auf einen LS. Dieses spezialisierte Bauteil ist darauf optimiert, unter allen möglichen Bedingungen eine Überlast zuverlässig zu vermeiden.

Bei einem 22 kW-Ladekabel ist nun ein LS mit 3x32 Ampere nötig, bei einem 11kW-Ladekabel jedoch ein LS mit 3x20 Ampere. Man braucht also zwei verschiedene Bauteile, um die beiden unterschiedlichen Ladekabel sinnvoll abzusichern. Wenn die Ladestation das 11kW-Kabel ablehnt, muss man also davon ausgehen, dass sie intern einen “zu großen” Leitungsschutzschalter verbaut hat. Das ist also kein Fehlverhalten, sondern genau richtig.

Warum kommen einige Ladestationen trotzdem damit klar?

Ganz einfach: In diesen Ladestationen gibt es zwei Strompfade, die separat geschaltet werden können. Es gibt einen Pfad für 22 kW mit einem passenden LS und einem Lastschütz. Und die gleiche Konstruktion noch einmal, passend für 11 kW. Je nach Ladekabel, was man an die Ladestation anschließt, wird also ein anderer Lastschütz mit dem passenden LS geschlossen. So stellt die Ladestation sicher, dass keine Überlastung des Ladekabels auftreten kann.

Natürlich gibt es auch Ladestationen, die obige Problematik ignorieren und einfach davon ausgehen, dass schon nichts passieren wird. Diese sind aber zumindest im öffentlichen Bereich eher selten anzutreffen.

Warum rüsten wir nicht einfach alles auf 11 kW um?

Es gibt ja relativ wenige Fahrzeuge, die wirklich 22 kW Drehstrom laden können. Daher könnte man ja argumentieren, dass sich der Aufwand für zwei Strompfade nicht lohnt. Wenn alle Ladestationen mit 11 kW abgesichert wären, dann würde ja das etwas preiswertere und leichtere 11 kW-Kabel ausreichen.

Das ist leider wenig praktikabel, denn es gibt recht viele Fahrzeuge, die einphasig mit 7,2 kW laden. Die brauchen dann statt 32 A auf drei Phasen nur 32 A auf einer Phase. Effektiv wäre das aber die gleiche Absicherung wie im 22 kW-Fall, eine Umrüstung der Ladestationen ergibt also keinen Sinn.

Stattdessen wäre es sinnvoll, Ladestationen mit nur einem Strompfad um einen zweiten Strompfad zu erweitern, oder die Ladesäulenverordnung entsprechend zu ergänzen. Bis dahin bleibt aber eigentlich nur der Rat, lieber ein 22 kW-Ladekabel zu kaufen.


  1. Technisch funktioniert das über einen im Stecker eingebauten Widerstand zwischen PP und PE. Es gibt also gar keine Signalleitung für PP, aber der Widerstandswert kann von Auto bzw. Ladestation recht einfach ausgelesen werden. Die elektrischen Details habe ich hier schon einmal beschrieben. ↩︎

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