Braucht meine Ladestation einen Überspannungsableiter?

Technik Sicherheit
Überspannungsableiter von Dehn

Ein Überspannungsableiter macht genau das, was sein Name sagt: Er leitet eine Überspannung ab, bevor sie Schaden anrichten kann. Dieser Schutz ist für eine Ladestation besonders wichtig, denn: Eine Überspannung während dem Laden kann die Elektronik im Auto zerstören. Eine recht kostspielige Reparatur wäre die Folge.

Warum ist eine Überspannung schlecht?

Überspannung heißt einfach: Die Spannung ist zu hoch. Dabei werden elektrischen Bauteile beschädigt, da sie über ihre Maximalspannung hinaus belastet werden. Man kann zwischen längerfristigen Überspannungen und kurzfristigen (“transienten”) Überspannungen unterscheiden.

Die längerfristigen Überspannungen dauern im Bereich von Minuten bis Stunden an. Sie entstehen durch Probleme im Betrieb des Stromnetzes, z.B. weil durch eine Störung ein Netzbereich vom Stromnetz abgetrennt wird. Die Spannung steigt, weil der normalerweise eingeplante Verbrauch des Stroms fehlt. Die Schwankungen führen zwar zu einem erhöhten Verschleiß von Geräten, sind aber üblicherweise in einem unbedenklichen Bereich. Es werden also normalerweise keine Geräte direkt beschädigt.

Die kurzfristigen oder transienten Überspannungen entstehen zum Beispiel durch elektrostatische Aufladung oder einen Blitzeinschlag in der Nachbarschaft. Sie sind normalerweise innerhalb weniger Sekunden vorbei, erreichen aber sehr hohe Spannungen und schädigen dadurch Geräte direkt. Die Bauteile der am Stromnetz angeschlossenen Geräte werden dadurch zerstört. Phoenix Contact hat dazu ein recht eindrückliches Video veröffentlicht:

Wie verhindere ich Überspannungen?

Die längerfristigen Überspannungen kann nur der Netzbetreiber durch Änderungen am Stromnetz oder auch an der Betriebführung verhindern. Es sind ja aber auch eher die transienten Überspannungen, die Geräte beschädigen können. Vor einen Blitzeinschlag in der näheren Umgebung ist niemand sicher, und die Wirkungen sind schwierig abzuschätzen. Das Thema Blitzfangeinrichtungen, landläufig “Blitzableiter” genannt, und die Überspannungs-Schutzeinrichtungen gehen Hand in Hand. Eigentlich muss man die beiden Themen immer zusammen betrachten, auch wenn für viele Gebäude keine Blitzfangeinrichtungen vorgeschrieben oder auch sinnvoll wären.

Trotzdem fordert die VDE AR-N 4100 auch, das im “netzseitigen Anschlussraum” ein Überspannungsableiter installiert wird. Bei allen Änderungen am Zählerschrank wird dieser nötig, wohl auch, weil moderne Smart Meter als elektronische Geräte auch viel sensibler als die alten, schwarzen Ferraris-Zähler sind. Generell ist es bei Neuanlagen aber sowieso vernünftig, einen Überspannungsableiter vorzusehen.

Überspannungsableiter in Verteilerschrank

Man unterscheidet drei Typen von Überspannungsableitern:

  1. Der Grobschutz (Typ 1) kann relativ große Energien ableiten und begrenzt Überspannungen auf 1300-6000 V. Das ist zwar immer noch relativ viel, und genug um Geräte im Haushalt zu zerstören — aber erheblich weniger als ein naher Blitzeinschlag.
  2. Der Mittelschutz (Typ 2) kann zwar nicht die gleichen Energien ableiten wie ein Typ 1-Gerät, begrenzt dafür aber die Überspannung auf 600-2000 V. Der Mittelschutz reagiert auch sehr schnell und begrenzen so den Schaden.
  3. Der Feinschutz (Typ 3) ist schließlich das Schutzniveau, welches eine Überspannung auf eine normales, unschädliches Spannung reduziert. Diese Geräte halten zwar nicht die hohen Energien der vorherigen Stufen stand, machen dafür aber die noch durchgelassene Überspannung unschädlich.

Sie sehen also: Die drei Schutzstufen bauen aufeinander auf und müssen auch entsprechend geplant werden. Der Verzicht auf eine Stufe kann dazu führen, das die restlichen Ableiter ihre Funktion gar nicht erfüllen können. Daher gibt es auch Kombiableiter: Das sind Geräte, die alle drei Schutzstufen kombinieren. Oft reicht auch ein Ableiter, der Typ 2 und 3 kombiniert. Ob man einen Grobschutz wirklich benötigt hängt vor allem von den Gegebenheiten vor Ort ab. Wenn Sie z.B. über einen Dachständer an das Stromnetz angeschlossen werden, ist ein Ableiter Typ 1 sinnvoll. Ebenso kann es sein, das sie mehrere unterschiedliche Ableiter an unterschiedlichen Stellen benötigen. Wenn Ihre Garage z.B. abgesetzt vom Haus liegt und über eine längere Stromleitung versorgt wird, dann ist ein zusätzlicher Kombiableiter Typ 2+3 sinnvoll.

Welches Schutzkonzept Sie benötigen kann man leider nicht pauschal sagen. Genauso brauchen Sie auch entsprechende Überspannungsschutzgeräte für alle anderen Leitungen, die von außen in Ihr Haus kommen. Dazu gehören z.B. Telefon oder Kabelanschluss.

Ist ein Überspannnungsschutz vorgeschrieben?

Kommt darauf an. Bei Neubauten und signifikanten Änderungen Ihrer Elektroinstallation muss in der Regel ein Überspannungsschutz installiert werden. Genaueres regelt die DIN VDE 0100-443:2016-10 (Wann muss eingebaut werden?) und die DIN VDE 0100-534:2016-10 (Welche Schutzmassnahmen sind wie zu installieren?). Die VDE AR-N 4100 liefert ebenfalls einige Anforderungen an den Überspannungsschutz. Ihr Elektriker kennt natürlich diese Normen und kann Sie beraten.

Wenn Ihr bestehender Verteilerschrank allerdings nur um den Anschluss für eine Ladestation erweitert wird, gibt es derzeit keine Vorschrift, die einen Überspannungsschutz zwingend vorschreibt. Da wie eingangs geschrieben die Folgen für Ihr Auto allerdings recht fatal sein können würde ich persönlich immer einen Überspannungsableiter einbauen, wenn vorher noch kein Überspannungsableiter eingebaut ist. Außerdem wirkt ein Überspannungsableiter nur im Umkreis von etwa 10 m Kabellänge um den Einbauort herum. Ein separater Überspannungsableiter ist also auch sinnvoll, wenn Ihre Garage weiter entfernt ist und die Anschlussleitung eben länger als 10 Meter ist.

In der Praxis ist es allerdings gar nicht so einfach, einen optimalen Schutz gerade in Bestandsgebäuden umzusetzen. Ich habe mich daher für meinen Haushalt mit einem DEHNGuard Modularableiter (Nr. 952400) begnügt. Dieser Kombiableiter deckt den Mittel- und Feinschutz ab. Der Grobschutz fehlt hier — allerdings wäre der in meinem Fall gar nicht einfach so nachrüstbar gewesen. Ich wohne in einem Nebengebäude, das vom Haupthaus abgesetzt ist. Leider gibt es hier keine Potentialausgleichsschiene, sodass ich die hohen Überspannungsenergien eines Grobschutzes gar nicht sinnvoll abführen kann. Sprich: Ein Grobschutz wäre sowieso nur eingeschränkt wirksam.

Was ist, wenn ich nicht lade?

Ganz einfach: Wenn Ihr Auto nicht mit dem Stromnetz verbunden ist, kann auch keine Überspannung im Fahrzeug Schäden verursachen. Dabei ist es relativ egal, ob Sie das Ladekabel nicht eingesteckt haben oder die Ladestation den Ladeschütz nicht geschlossen hat: In beiden Fällen dürfte eine Überspannung das Auto nicht erreichen. Es sei denn, in Ihrer Ladestation ist ein minderwertiges Schütz verbaut, das hohe Überspannungen trotzdem durchlässt.

Sie könnten nun also beschließen, einfach das Auto bei Gewittergefahr nicht zu laden. Das hilft Ihnen allerdings nur begrenzt, denn Überspannungen können auch durch Schalthandlungen im Stromnetz selbst auftreten. Und in diesem Fall können trotzdem Schäden an Ihrem Fahrzeug, genau wie an Ihren restlichen Elektrogeräten, auftreten. Wenn Sie also sowieso Ihre Elektroinstallation durch eine Wallbox ergänzen: Bauen Sie einen geeigneten Überspannungsableiter direkt mit ein. Die Gerätekosten sind im Verhältnis zum potentiellen Schaden durch eine Überspannung recht überschaubar.

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