Welcher Leitungsschutzschalter gehört vor die Ladestation?

Technik Sicherheit
Leitungsschutzschalter dreipolig, 32 A

Neben dem Fehlerstromschutzschalter ist der Leitungsschutzschalter (LS) ein sehr wichtiges Schutzelement für jede Ladestation. Dieses Gerät, umgangssprachlich einfach “Sicherung” genannt, macht genau das, was der Name sagt: Er schützt die Stromleitungen vor Überlast. Aber wie macht er das? Und welchen LS soll man vor eine Ladestation installieren?

Was ist ein Leitungsschutzschalter?

Ein Leitungsschutzschalter ist ein kleines Gerät für die Hutschiene, die den Stromfluss überwacht und gegebenenfalls auch unterbricht. Das ist wichtig, denn eine überlastete Leitung wird warm und kann letztlich auch zu einem Brand führen. Der LS verhindert eine Überlastung durch zwei unterschiedliche, sich ergänzende Mechanismen:

  • Wenn über längere Zeit ein etwas zu hoher Strom fließt, stellt er das über einen Bimetallstreifen fest. Der erwärmt sich genau wie die Leitung. Ab einer gewissen Temperatur löst der LS aus: Der Bimetall ist so weit verbogen, dass der Trennmechanismus auslöst. Das kann allerdings im Falle eines Kurzschlusses zu lange dauern.
  • Für Kurzschlüsse gibt es noch einen zweiten, magnetischen Mechanismus. Der löst sehr schnell aus, sobald ein sehr großer Strom fließt.

Also: Bimetall für langsame, kleine Überlastungen, und ein Elektromagnet für Kurzschlüsse mit sehr hohen Strömen.

Ein Leitungsschutzschalter ist hauptsächlich durch seinen Nennstrom (z.B. “16 A”) und seine Auslösecharakteristik (z.B. “B” oder “C”) gekennzeichnet. Der Nennstrom ist einfach der höchste, dauerhaft zulässige Strom. Wird dieser überschritten schaltet der LS ab. Der Nennstrom muss also kleiner gewählt werden als die maximale Belastbarkeit der Leitungen — denn er soll ja die Leitung vor Überlastung schützen. Die Auslösecharakteristik hingegen beschreibt hingegen, wie sich die Auslösezeit in Abhängigkeit vom Strom verändert. Wikipedia liefert diese Grafik für die Charakteristiken “B”, “C” und “D”:

Standard-Auslösekennlinie. Biezl, Public domain, via Wikimedia Commons

Der Bereich der thermischen Auslösung ist für alle Charakteristiken gleich. Bei einer Ladestation kann der maximale Strom schon einmal für ein paar Stunden anliegen. Die Dauerbelastung liegt also nahe am Auslösepunkt des LS. Die Charakteristiken unterscheiden sich hingegen im Bereich des magnetischen Auslösers: Bei kurzzeitigen Überlastungen löst die “B”-Charakteristik bei einem kleineren Strom aus als eine “C”-Charakteristik. Normalerweise setzt man eine “B”-Charakteristik im Gebäudebereich ein. Die “C”- oder gar “D”-Charakteristik sind für Geräte wie Motoren gedacht, die beim Anfahren einen hohen Einschaltstrom brauchen. Eine “C”-Charakteristik lässt also einfach eine höhere Stromspitze durch, verhält sich aber bei Dauerbelastung genau wie “B”-Charakteristik.

Es gibt natürlich noch weitere Parameter eines LS, z.B. die maximale Spannung oder das Bemessungsschaltvermögen (z.B. 6 kA oder 10 kA). Für Ladestationen auch relevant ist die Betriebstemperatur — dazu weiter unten mehr.

Welchen LS wähle ich nun?

Das hängt hauptsächlich von der verwendeten Stromleitung und der Installation davor ab. Ein Elektriker kann berechnen, wie die Zuleitung dimensioniert sein muss, um eine bestimmte Ladeleistung zu ermöglichen. Eine pauschale Antwort kann ich hier also nicht geben!

Es spricht aber wenig gegen ein Beispiel. Sagen wir einmal, eine 11 kW-Ladestation soll installiert werden. Die Zuleitung zur Ladestation ist ausreichend dimensioniert für die Leitungslänge — d.h. der Spannungsfall bleibt gering. Auch der Hausanschluss davor verkraftet die 11 kW. Dann muss man die folgenden Aspekte im Auge behalten:

  1. Der Nennstrom muss so gewählt werden, das die nachfolgende Leitung nicht überlastet werden kann. Bei einer 11kW-Ladestation mit fest installiertem Kabel ist das recht einfach: Der maximale Ladestrom beträgt 16 A, und das installierte Ladekabel kann üblicherweise 20 A transportieren. Man kann also einfach mit einem Nennstrom von 16 A rechnen. Komplizierter wird es bei Ladestationen mit Steckdose: Hier kann man ja unterschiedliche Kabel einstecken, und eigentlich müssen Kabel mit niedrigerer Strombelastbarkeit abgelehnt werden. Das passiert recht oft bei öffentlichen 22 kW-Ladestationen, die ein 11 kW-Ladekabel genau deshalb nicht akzeptieren. Aus dem gleichen Grund darf man eine 11 kW-Ladestation mit festem Kabel auch nicht mit 32 A absichern, obwohl vielleicht die Zuleitung für 32 A geeignet wäre.

  2. Leitungsschutzschalter müssen die korrekte Selektivität haben. Wenn zwei LS hintereinander in einem Strompfad installiert sind muss derjenige, der dem Verbraucher am nächsten ist, zuerst auslösen. Das bedeutet in der Praxis, das der verbraucherseitige LS eine um den Faktor 1,6 geringeren Nennstrom aufweisen muss. Wenn man also im Hauptverteiler einen 32 A-LS hat, kann man hinten keinen 32 A-LS installieren. Ein 16 A-LS ist hingegen kein Problem, denn $ 16 A \cdot 1,6 = 25,6 A \leq 32 A $ — zumindest bei gleicher Charakteristik.

  3. Apropos: Bei der Charakteristik des Leitungsschutzschalters kann man einfach “B” wählen, da ein Elektroauto keinen besonders hohen Einschaltstrom wie z.B. ein Motor oder ein PV-Wechselrichter hat. Die Fahrzeuge fahren ihren Ladestrom zu Beginn der Ladung langsam hoch — mein BMW i3 braucht anfangs etwa 10 Sekunden, bis die maximale Ladeleistung erreicht ist. Eine “C”-Charakteristik bietet hier keinen Vorteil.

Wenn nun also Charakteristik, Selektivität und Nennstrom passen muss man trotzdem noch ein paar weitere Aspekte beachten:

Einbauort und Betriebstemperatur

Obige Betrachtung zum Nennstrom gilt nur für Umgebungstemperaturen kleiner 30 Grad. Hager stellt in ihrem “Technischen Anhang (PDF)" auf Seite 4 dar, wie sich die Belastbarkeit reduziert, wenn die Umgebungstemperatur höher liegt. Ist ja eigentlich auch logisch: Der thermische Auslösemechanismus spricht ja schon bei einem kleineren Strom an, wenn die Umgebungstemperatur höher liegt. Ein LS mit einem Nennstrom von 16A schaltet bei 45 Grad Umgebungstemperatur schon bei 13 A ab. Das wird im Sommer recht schnell erreicht, wenn man den LS direkt neben der Ladestation z.B. in einem kleinen Außengehäuse installiert — und die Sonne darauf scheint.

Oder man installiert den Leitungsschutzschalter in einem abgedichteten Gehäuse, in dem kein Luftaustausch stattfinden kann. Die folgende Thermografie zeigt einen LS in so einem Gehäuse nach zwei Stunden Laden:

Ein LS, der sich während dem Laden in einem geschlossenen Gehäuse deutlich erwärmt

Ein Leitungsschutzschalter ist also besser in einem kühlen Verteilerschrank im Innenbereich aufgehoben. Dort kann er die Wärme auch durch Konvektion besser abgeben. In obigem Beispiel wurden nachträglich Lüftungsschlitze in das Gehäuse integriert — seitdem ist die Temperatur des LS im grünen Bereich.

Allerdings können auch dort benachbarte LS die unmittelbare Umgebungstemperatur erhöhen. Wer sicher gehen will, lässt daher links und rechts neben dem LS etwas Platz, damit die Wärme abgegeben werden kann. Bei einer 11 kW-Ladestation ist das Ladekabel üblicherweise mit 20A belastbar — da hätte man normalerweise auch die Möglichkeit, den LS etwas größer zu wählen und z.B. einen B20 einzubauen. Dies muss man allerdings anhand der Datenblätter genau prüfen.

Einpolig oder dreipolig?

Wenn die Wallbox eh nur eine Phase hat ist der Fall klar: Man baut hier einfach einen einphasigen LS ein. Aber: Bei einer dreiphasigen Wallbox sollte man unbedingt einen dreipoligen LS einbauen. Dieser trennt alle drei Außenleiter, auch wenn eine Überlast nur auf einer einzigen Außenleiter vorliegt. Das ist sehr wichtig, denn Autos wie die Renault Zoe können ansonsten beschädigt werden.

Bei der Zoe mit ihren eigentümlichen AC-Ladegeräten passiert folgendes häufig: Der Außenleiter L2 fällt aus, aber die Zoe bekommt das anscheinend nicht mit und versucht weiterhin zu laden. Auch wenn mir das Fehlerbild nicht vollkommen klar ist: Das Problem tritt wohl häufiger auf und die Zoe zerstört dabei ihr eigenes Ladegerät. Also: Einen dreiphasigen Verbraucher wie eine 11 kW-Ladestation auch immer dreipolig absichern.

Fazit

Das alles sollte natürlich ihr Elektriker wissen und gegebenenfalls in den massgeblichen Normen (DIN VDE 0100-530 und DIN VDE 0100-460) nachschlagen. Vielleicht hilft Ihnen dieser Artikel ja aber, die Gedanken Ihres Elektrikers nachvollziehen zu können. Eine Einschätzung aus der Praxis liefert auch dieser Elektropraktiker-Artikel, der sich allerdings eher an Elektroinstallateure richtet. Dafür finden Sie einen weiteren Erklärbär-Artikel zum Thema Fehlerstromschutzschalter hier.

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