Warum ist der go-e Charger nicht empfehlenswert?

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Eine typische go-e Installation

Der go-e Charger wird sehr oft als Ladestation für zu Hause empfohlen. Ich folge dieser Empfehlung nicht, denn der go-e Charger hat einige ziemlich schwerwiegende Schwächen. Leider, denn ich finde das Versprechen des Produkts eigentlich ziemlich gut! Im Folgenden also: Warum ich den go-e Charger nicht empfehlen kann.

Update 08.07.2021: go-e besteht auf der “Richtigstellung” meines Artikels. Ich habe kein Interesse an einer juristischen Auseinandersetzung und habe diesen Artikel daher überarbeitet. Die entsprechenden Teile kursiv markiert. An meinem Fazit ändert sich jedoch nichts.

Was müsste der go-e Charger leisten?

Die Schwächen, die ich im Folgenden beschreibe, sind elektrischer, mechanischer oder auch konzeptioneller Natur. Um diese besser zu verstehen, muss man in die entsprechenden Normen schauen und dann vergleichen, ob der go-e Charger diese Anforderungen erfüllt. Auf der Homepage des Herstellers kann man die CE-Konformitätserklärung herunterladen. Daraus geht hervor, dass der go-e Charger die beiden Standards IEC 61851 Teil 21 und 22 erfüllt. Der Teil 21 beschreibt die elektromagnetische Verträglichkeit — darauf gehe ich im Folgenden nicht näher ein.

Interessanter ist der Teil 22, der 2017 in den Teil 1 integriert wurde. Dort beschreibt die Norm, welchen Anforderungen eine fest installierte Ladestation generell genügen muss. Das Problem dabei: Der go-e Charger ist nicht fest installiert. Durch den CEE-Stecker wird das Gerät zur mobilen Ladestation, welche den wesentlich höheren Anforderungen der IEC 62752 genügen müsste. Ich schreibe hier bewusst “müsste”, denn go-e bezieht sich nicht auf die aktuelle Norm von 2017, sondern auf die ältere Variante der Norm aus 2010. Für eine Übergangsfrist bis zum 05.07.2022 darf daher der go-e Charger — nach Aussage der go-e GmbH — noch verkauft werden1.

Ich habe keine Kopie der alten Norm und kann das daher nicht nachprüfen. Ist in meinen Augen auch wenig relevant, denn offensichtlich wurde die Norm ja nicht ohne Grund geändert. Die aktuelle Norm schließt Geräte wie den go-e explizit aus, und alleine das ist für mich schon Grund genug, vom Kauf abzuraten. Man kann als Käufer ja eigentlich gar nicht nachvollziehen, warum der go-e einen CEE-Stecker hat, man aber trotzdem einen Elektriker für die Installation einer — nach Norm — fest installierten Wallbox beauftragen muss.

Das ist leider nicht das einzige Problem, das auffällt. Im Folgenden liste ich die Mängel auf, die mir beim Öffnen und Testen eines go-e Chargers erster Generation aufgefallen sind.

Mechanische Schwächen

Die IEC 62752 für mobile Wallboxen fordert aus gutem Grund, das eine mobile Wallbox wasserfest nach IP 67 sein muss. Schließlich kann die Wallbox durchaus mal aus Versehen beim Regen in einer Pfütze liegen. Diesen Schutz erfüllt der go-e klar nicht2, denn der Ladeanschluss ist nicht wassergeschützt. Durch die Typ 2-Steckdose kann Wasser in das Innenleben der Wallbox eindringen.

Ebenso fordert diese Norm2, dass ein Überfahren der Wallbox mit dem jeweiligen Fahrzeuggewicht zu keinen Schäden führen darf. Da der go-e ja an kein Fahrzeug gebunden ist, würde ich pauschal unterstellen, das er mindestens eine Überfahrt mit 2,5 Tonnen Fahrzeuggewicht aushalten muss. Was das mechanisch bedeutet sieht man z. B. an der mobilen Wallbox des Porsche Taycan: Das Gehäuse ist ziemlich schwer und massiv. Der go-e würde eine Überfahrt unabhängig vom Fahrzeuggewicht aber sowieso nicht überstehen, denn der Typ 2-Stecker würde abbrechen. Ob das Gehäuse ohne Stecker in der Lage wäre, so eine Überfahrt unbeschädigt zu überstehen, würde ich zumindest anzweifeln — es fehlen verstärkende Rippen, die ich bei so einem Gehäuse erwarten würde. Getestet habe ich das allerdings nicht, denn der go-e Charger nutzt ein Schlupfloch der Norm: Wenn das Anschlusskabel an der Wallbox kürzer als 30 cm ist, kann man auf diesen Test verzichten. Allerdings hängt so ein go-e Charger schnell mal an einem (CEE-)Verlängerungskabel, sodass mir der Überfahrschutz trotzdem relevant erscheint.

Innenleben go-e

Überhaupt: Den inneren Aufbau des go-e finde ich mechanisch fragwürdig. Das betrifft hauptsächlich zwei Komponenten: Schütz und Typ 2-Steckdose. Letztere sind direkt mit der Platine verlötet — in obigem Bild die silbernen, aufrecht stehenden Zylinder. Die mechanische Belastung durch das Ein- und Ausstecken des Typ 2-Kabels werden also direkt auf die Lötstellen übertragen. Da Lötzinn nicht elastisch ist, wird es irgendwann zu Rissen im Lot kommen, d. h. der Kontakt wird schlechter. Das wird zu einer erheblichen Erwärmung der Kontakte führen. Im besten Fall schmilzt dadurch das Lot und verschließt den Riss wieder. Im schlechtesten Fall ist das brandgefährlich.

Das scheint auch go-e erkannt zu haben, wie Bilder von Thomas Werner zeigen. Er war so freundlich, mir ein paar Bilder eines go-e von Mitte 2018 zu schicken. Bei diesem Gerät sind Steckkontakte verlötet, die mich an Bananenstecker erinnern und auf Seite der Ladesteckdose in Messingkontakte greifen:

Überarbeitete Steckkontakte

Ob diese Konstruktion besser ist, kann ich schlecht beurteilen. Auch hier bleibt das Problem, das mechanische Belastungen auf die Lötstellen übertragen werden — hier über den Umweg der “Bananenstecker”, die ihrerseits wieder einen höheren Übergangswiderstand aufweisen und so andere thermische Probleme verursachen können.

Auch das Installationsschütz ist über Lötstellen befestigt, im Bild sind das die kleinen, quadratischen Kontaktblöcke mit der Schraube drin. Falls der go-e Charger mal hinfällt, reißt das doch recht schwere Installationsschütz an den verlöteten Kontaktblöcken — auch hier kann es zu Rissen an den Lötstellen kommen. Allerdings scheinen auch die im normalen Betrieb vorkommenden Zyklen aus Erwärmung und Abkühlung zu diesen Rissen führen zu können. Ein betroffener go-e Kunde hat mir freundlicherweise nachstehendes Bild zugesandt:

Geschmolzene Rückseite eines go-e Chargers

Deutlich erkennbar ist der angeschmolzene Kunststoff hinter dem Typenschild. Der go-e Charger scheint im August 2018 produziert worden zu sein, war also zum Zeitpunkt des Ausfalls gut drei Jahre alt. Auch im Goingelectric-Forum sind zwei Fälle eines angeschmolzenen Gehäuses dokumentiert (Fall 1, Fall 2). Privat, jedoch nicht zitierfähig haben mir insgesamt vier Menschen von gleichartigen Problemen berichtet.

Ohne jedoch das Innenleben der betroffenen Geräte gesehen zu haben ist es natürlich schwierig, die genaue Ursache dieser Beschädigungen zu klären. Ich würde aber auf eine gerissene Lötstelle und die damit verbundene Erwärmung der Schütz-Kontakte wetten.

Zusammenfassend erscheint mir der go-e in der hier gezeigten Form nicht konkurrenzfähig zu anderen Produkten wie dem Juice Booster. Man darf den go-e also eigentlich nicht als mobile Wallbox verstehen. Allerdings erfüllt die go-e auch nicht die elektrischen Anforderungen an eine fest installierte Wallbox (basierend auf der IEC 61851-1).

Elektrische Schwächen

Die Norm für mobile Wallboxen (IEC 62752) beschreibt schon in der Einleitung, das man bei einer (CEE-)Steckdose nicht davon ausgehen kann, das ein Fehlerstromschutzschalter verbaut ist. Gerade bei älteren oder unbekannten CEE-Steckdosen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das kein Fehlerstromschutzschalter verbaut ist. Daher müssen sämtliche Fehlerströme durch eine mobile Wallbox erkannt werden — und der Ladestrom muss zuverlässig abgeschaltet werden, falls ein Fehler auftritt.

Für eine feste Wallbox gilt das natürlich genauso, die Anforderungen an eine feste Wallbox sind sogar noch höher: Fehlerströme müssen innerhalb von 300 ms unterbunden werden. Die Konformitätserklärung des go-e bezieht sich ja auf eine fest installierte Wallbox, d. h. sie muss Abschaltzeiten kleiner 300 ms einhalten. Genau das leistet der go-e allerdings nicht. Ich habe mal einen go-e mit einem geeichten Installationstester vermessen:

Abschaltzeit DC-Fehlerstrom

Hier simuliere ich einen positiven Gleichstrom-Fehlerstrom von 6mA — zugegebenermaßen ein sehr kleiner Fehlerstrom. Trotzdem: Auch hier müsste eine fest installierte Wallbox zuverlässig abschalten, und zwar nach spätestens 300 ms. Der go-e Charger braucht hierfür jedoch 502 ms. Das ist deutlich zu lang. Wohlgemerkt: Ich habe obige Tests mit einem Gerät der ersten Generation gemacht. Ein Gerät der zweiten Generation hat hier jemand vermessen, mit anderen Ergebnissen. Es gibt anscheinend mehrere Hardware-Revisionen, die äußerlich nicht klar unterscheidbar sind. Welche Geräte die Abschaltzeiten einhalten, ob es eine Serienstreuung gibt — das sind Fragen, die ich nicht eindeutig beantworten kann.

Andere Geräte zeigen aber, das es viel besser geht: Z. B. der Doepke FI Typ A-EV oder auch das Phoenix Contact EV-RCM-C1-AC30-DC6. Letzteres ist ein wandlerbasiertes Modul, das technisch recht nahe am Funktionsprinzip der Fehlerstromerkennung des go-e ist. Beide Varianten erreichen Abschaltzeiten für einen 6mA DC-Fehlerstrom um die 120 ms. Technisch kann man also die Anforderungen der Norm problemlos erfüllen.

Konstruktiv gibt es eine weitere Schwäche: Im go-e ist keine spezieller Fehlerstromschutzschalter vorgesehen, sondern das dort verbaute ABB-Installationsschütz trennt einfach die Stromverbindung. Ob das auch bei einem durch Schaltvorgänge gealterten Schütz zuverlässig funktioniert, wage ich zu bezweifeln, denn: In einem normalen FI-Schalter wird ein erheblicher Aufwand betrieben, um im Fehlerfall mit hoher Zuverlässigkeit den Strom trennen zu können. Eine Feder spannt den Kontakt vor, damit die Trennung schnell ist — und eine Funkenlöschkammer sorgt dafür, dass entstehende Funken keinen Schaden am Kontakt anrichten können. Insbesondere bei DC-Fehlerströmen können durch viele Schaltvorgänge verzunderte Kontakte zum Problem werden.

Ein normales Installationsschütz kann eine Trennung eines größeren Fehlerstroms vielleicht ein paarmal leisten, dürfte aber dauerhaft damit überfordert sein — mit der Konsequenz, dass dann irgendwann ein Fehlerstrom nicht zuverlässig abgeschaltet wird. Hinzu kommt: Auch bei obigem 22kW go-e ist das ABB-Schütz nur für eine Schaltleistung von 11kW (AC-3) spezifiziert. Es kann zwar im normalen Ladebetrieb auch 22 kW schalten, aber im Fehlerfall ist unklar, ob das Schütz nicht überlastet ist. Auch hier ist die Konsequenz, dass ein Fehlerstrom nicht unterbrochen wird.

Was macht der go-e Charger gut?

Nichts ist schwarz oder weiß, und der go-e Charger macht einige Dinge richtig gut. Er ist einfach bedienbar, hat eine WLAN-Schnittstelle und bietet eine API, die für einen Programmierer sehr gut nutzbar und intuitiv zu verstehen ist. Das wünsche ich mir oft von anderen Produkten: Vielen merkt man an, das sie eigentlich eher aus der Automatisierungsecke kommen. Der go-e Charger macht das besser — über eine einfache JSON-Schnittstelle lässt er sich schnell in eine eigene Steuerung einbinden. Man merkt, das er von IT-affinen Leuten entwickelt wurde.

Fazit

Wenn der go-e Charger nur eine Schwachstelle hätte wäre ich recht entspannt. Kein Produkt ist perfekt. Da hier aber viele Schwachstellen zusammenkommen kann ich vom Kauf nach wie vor nur abraten. Ich zweifele, ob der go-e die Vorgaben für eine fest installierte Wallbox erfüllen kann. Und eigentlich wäre es angemessen, die viel härteren Vorgaben für mobile Wallboxen zu erfüllen.

Der Umgang mit meiner Kritik von Seiten von go-e ist, nuja, etwas ungeschickt. Natürlich kann man mir durch die Blume mit rechtlichen Schritten drohen — ich glaube aber nicht, das meine Kritik jeglicher Grundlage entbehrt. Das zeigt auch das unten in der Fußnote wiedergegebene, überspezifische Dementi der go-e GmbH: es ignoriert schlichtweg die Messungen und die aufgetretenen Fälle von verschmorten Gehäusen.

Aus Kundensicht ist es vollkommen egal, ob der go-e durch eine Übergangsregelung noch verkauft werden darf. Er erfüllt einen niedrigeren Sicherheitsstandard als andere Produkte, die heute am Markt verfügbar sind. Es gibt Konstruktionsdetails, die bei anderen Produkten besser gelöst sind. Und das ist nun einmal der Maßstab, der aus Kundensicht relevant ist. Es mag vollkommen legal sein, den go-e in dieser Form zu vertreiben; im Sinne des Kunden ist es nicht.

Wer wirklich eine mobile Wallbox braucht, der möge zum Juice Booster greifen. Der ist zwar deutlich teurer, erfüllt aber — soweit ich das beurteilen kann — die Norm für mobile Wallboxen. Aber ich glaube nicht, dass mit der zunehmenden Dichte an öffentlichen Ladestationen eine Wallbox noch mobil sein muss. Meine Empfehlung ist daher: Kaufen Sie eine gute, fest installierte Wallbox und lassen Sie diese durch einen Elektriker installieren.

Und wer schon einen go-e Charger hat, tut gut daran, seine Elektroinstallation und die Fehlerschutzschalter durch einen Elektriker prüfen lassen. Und den go-e fest an der Wand installieren — einen Rahmen für die Montage liefert der Hersteller ja sowieso mit.


  1. Transparenz ist gut, und ich möchte ja nichts falsch wiedergeben. Daher hier der entsprechende Ausschnitt einer E-mail von go-e, die ich hier mit Genehmigung wiedergebe:

    […] Denn trotz CEE-Stecker muss der go-eCharger HOME+ eben nicht der IEC 62752 genügen. Es ist vollkommen richtig, dass der go-eCharger HOME+ nicht der genannten Norm entspricht. Dies muss er allerdings nicht, da er nicht entsprechend der IEC 62752 entwickelt wurde, da diese Norm in Punkt 1 vorsieht, dass die Ladestation einen Fahrzeugsteckverbinder (vehicle connector) umfasst. Dieser wird in IEC 62196-1:2014 als flexibles Kabel mit angeschlossenem Fahrzeugstecker beschrieben. Da dies beim go-eCharger HOME+ nicht der Fall ist (er verfügt nur über eine Typ 2 Dose) wurde der Charger nach der IEC 61851-1:2010 entwickelt. Wie geschrieben, wurde dies auch von der Bundesnetzagentur bestätigt. Nach dieser Norm darf der go-eCharger HOME+ in einer Übergangsfrist noch bis zum 05.07.2022 verkauft werden. Erst danach gilt nach der neueren Norm IEC 61851-1:2017, dass der go-eCharger HOME+ auch der angeführten Norm IEC 62752 entsprechen muss. Lediglich in der Schweiz muss der go-eCharger HOME+ aktuell bereits nach der neueren Norm IEC 6185-1:2017 auch der Norm IEC 62752 entsprechen. Der go-eCharger HOME+ wird aber in der Schweiz gar nicht mehr verkauft, sondern völlig zulässigerweise und normkonform der go-eCharger HOMEfix. Daher möchten wir Sie höflichst bitten, sämtliche mit der IEC 62752 im Zusammenhang stehenden, unwahren Informationen aus dem oben genannten Artikel zu entfernen. Es ist für Leser mehr als irreführend, dass der Charger nach einer Norm getestet wurde, die er nachweislich nicht erfüllen muss, während im Artikel das Gegenteil behauptet wird.

    Aus einer Email eines go-e Mitarbeiters
    ↩︎

  2. Diese Anforderung muss der go-e Charger nicht erfüllen, wie oben beschrieben. Durch die Übergangsregelung kann sich der Hersteller noch auf die alte Norm berufen. ↩︎

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