Gleichstrom, Wechselstrom und Drehstrom: Was ist das eigentlich?
Wechselstrom kommt aus der Schukosteckdose, und Drehstrom aus einer roten CEE-Steckdose. Aber beide hängen am gleichen Hausanschluss. Und Gleichstrom ist ganz was anderes. Wer das verwirrend findet hat Recht, die Begriffe sind nicht intuitiv. Es sei denn, man kennt den technischen Hintergrund. Und der ist gar nicht so kompliziert.
Gleichstrom
Die einfachste Stromart ist der Gleichstrom:
Der Graph zeigt, wie sich die Spannung über eine kleine Zeitdauer (100 ms) verhält: Sie bleibt gleich. Die Spannung beträgt überall 400 Volt, und nichts ändert sich daran. Das könnte z.B. die Spannung in der Traktionsbatterie eines Autos sein. Viel mehr gibts zu Gleichstrom nicht zu sagen, also weiter:
Wechselstrom
Der Wechselstrom sieht ganz anders aus. Wenn man mit einem Oszilloskop den Spannungsverlauf in einer normalen Schukosteckdose misst sieht das so aus:
Wie oben wieder 100 ms auf der X-Achse, aber der Wechselstrom entspricht einer Sinuswelle. Merke: Wechselstrom wechselt die ganze Zeit. Die Frequenz beträgt in Europa etwa 50 Hz.
Wer genau hinschaut sieht, das da zwar 230 Volt steht, aber die Spannung
doch zwischen etwa 325 Volt und -325 Volt schwankt. Das stimmt auch,
denn 230 Volt entsprechen dem Effektivwert $U_{eff}$
der Spannung. Das ist
diejenige Spannung, die einer Gleichspannung mit gleicher Leistung
entspricht. Die Spitzenspannung $U_{SS}$
kann man recht einfach in die
Effektivspannung umrechnen:
$$U_{SS} = U_{eff} \cdot \sqrt{2} $$
$$325 V \approx 230 V \cdot \sqrt{2} $$
Drehstrom
Zum Drehstrom ist es jetzt nur noch ein kleiner Schritt, auch wenn es auf den ersten Blick verwirrend aussieht:
Der einzige Unterschied zwischen Wechselstrom und Drehstrom ist, das Drehstrom aus drei Wechselströmen (L1, L2, L3) besteht. Diese sind phasenverschoben um 120 Grad. Drehstrom ist also verdrehter Wechselstrom. Ein Typ 2-Stecker hat deshalb auch mehr Adern als ein Typ 1-Stecker: Die beiden Leiter L2 und L3 müssen ja auch verbunden werden.
Durch die Phasenverschiebung hat Drehstrom eine Besonderheit: Bislang habe ich die Spannung immer zwischen einem Außenleiter (z.B. L1) und dem Neutralleiter N angegeben. Das ist auch im Graph oben so. Wenn man jedoch mehrere Außenleiter hat, kann man auch die Spannung zwischen z.B. L1 und L2 benutzen. Diese liegt bei etwa 400 Volt. Ob man 230 Volt (L1-N) oder 400 Volt (L1-L2) nutzt kommt auf den Anwendungsfall an — praktisch aber, das man mit einem Drehstromanschluss beides hat.
Und was nutzt nun mein Elektroauto?
Beim Laden von Elektroautos über die Typ 2-Steckdose kommt — je nach Ladesäule — also ein Drehstrom am Fahrzeug an. Wenn man nur einen Einphasenlader hat wird der Wechselstrom zwischen L1 und N genutzt: Ein Ladegerät wandelt den Wechselstrom in Gleichstrom um und speichert ihn in der Traktionsbatterie. Falls das Fahrzeug einen Dreiphasenlader hat passiert eigentlich dasselbe, nur: Statt einem Ladegerät sind drei Ladegeräte verbaut. Diese nehmen die drei Wechselströme (also L1-N, L2-N und L3-N) und speisen gemeinsam in die Traktionsbatterie. Unterm Strich nutzt Ihr Elektroauto also alle drei Varianten.
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