Habe ich als Mieter ein Anrecht auf eine Lademöglichkeit?
Seit 2020 gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf eine Lademöglichkeit für Mieter. Der § 554 des Bürgerlichen Gesetzbuches lautet:
§ 554: Barrierereduzierung, E-Mobilität und Einbruchsschutz
(1) Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die […] dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge […] dienen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. […]
(2) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
Das bedeutet allerdings nicht, das jeder Mieter einen unbedingten Anspruch auf eine Wallbox hat. Die Begründung des Gesetzentwurfs liefert ab S. 99 mehr Informationen, wie dieser Anspruch in der Praxis umgesetzt werden soll.
Im Kern geht es darum, einen Interessensausgleich zwischen Vermieter und Mieter zu schaffen. Der Vermieter hat im Regelfall ein Konservierungsinteresse, d. h. er möchte den Status Quo erhalten. Der Mieter hingegen hat mit seinem Wunsch nach einer Lademöglichkeit ein Veränderungsinteresse. Bislang war es so, dass ein Vermieter nach Abschluss des Mietvertrags dem Mieter keine weiteren Rechte (wie z. B. die Installation und den Betrieb einer Wallbox) zugestehen musste. Das ändert sich nun: Prinzipiell hat ein Mieter einen Anspruch darauf, eine “Lademöglichkeit” zu erhalten. Ich schreibe bewusst “Lademöglichkeit” — dazu im Folgenden mehr.
Die Voraussetzungen
Nicht jeder Mieter kann von diesem Anspruch profitieren. Wer keinen eigenen Stellplatz mit angemietet hat, kann nicht verlangen, das z. B. im nicht angemieteten Hof eine Lademöglichkeit installiert wird. Das erklärt sich einfach daraus, das er durch die Lademöglichkeit ja auch einen mehr oder minder festen Stellplatz bekommen würde — und so quasi doppelt profitiert. Daher gilt: Nur wer auch einen Stellplatz hat profitiert auch von dieser Regelung.
Ebenso heißt “Lademöglichkeit” nicht unbedingt, das eine schnelle Wallbox installiert werden muss. Eine Lademöglichkeit im Sinne des Gesetzes kann auch eine einfache Schukosteckdose sein. Das ist wieder eine Frage des Interessensausgleichs: Eine Schukosteckdose ist zumindest eine Lademöglichkeit. Für eine 22kW-Ladestation ist der Aufwand, insbesondere im Stromverteiler, schon erheblich größer. Wie diese Abwägung in unterschiedlichen Fällen gelebt werden wird ist derzeit noch unklar, das werden wohl die Gerichte im Laufe der Zeit klären. Falls der Mieter noch gar keine Lademöglichkeit hat dürfte sein Interesse jedenfalls deutlich dem Interesse des Vermieters überwiegen. Wenn es darum geht, eine Schukosteckdose durch eine deutlich leistungsfähigere Wallbox zu ersetzen, könnte die Abwägung allerdings auch zugunsten des Vermieters ausfallen.
Zu einer Lademöglichkeit gehören aber in jedem Fall die Veränderungen an der Elektroinstallation des Hauses. Sowohl die zusätzlichen Leitungen als auch die Änderungen am Stromverteiler sind als Teil der Lademöglichkeit zu sehen. Der Vermieter muss entsprechende Veränderungen durch den Mieter dulden. Indirekt bedeutet das auch, das gegebenenfalls eine Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechende Installationsarbeiten hinnehmen muss. Sie hat allerdings ein Mitspracherecht.
Wer trägt die Kosten?
Die Kosten trägt zunächst der Mieter, ebenso muss er die Lademöglichkeit beim Auszug zurückbauen. Gleichzeitig könnte der Vermieter auch für die Lademöglichkeit auf seine Kosten sorgen und dafür die Miete erhöhen. Welche Absprache letztlich sinnvoll erscheint müssen Vermieter und Mieter untereinander klären, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft. Auch im Hinblick auf den Rückbau bei Auszug erscheint es jedoch sinnvoller, dass der Vermieter die Lademöglichkeit bezahlt.
Wie schnell muss der Vermieter genehmigen?
Der Vermieter muss zeitnah agieren. Allerdings gibt es Konstellationen, die einer schnellen Umsetzung entgegenstehen. Das ist bei Wohnungseigentümergemeinschaften so. Wenn Ihr Vermieter beispielsweise Teil einer WEG ist, so darf er am gemeinsam genutzten Eigentum der Gemeinschaft gar keine Änderungen ohne einen Beschluss der WEG vornehmen. Dazu zählt auch die Elektroinstallation außerhalb der Wohnung sowie die Räumlichkeiten im Keller zum gemeinsamen Eigentum. Daher muss der Vermieter einen Beschluss der WEG abwarten, bevor er die Installation genehmigen darf.
Darf ich auch ohne Genehmigung des Vermieters loslegen?
Nein. Die Erlaubnis des Vermieters muss vorliegen, bevor mit den Arbeiten begonnen werden darf. Das ist auch sinnvoll, denn der Vermieter hat gegebenenfalls auch Pflichten gegenüber Dritten wie einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese könnte beispielsweise beschließen, eine Ladeinfrastruktur mit Lastmanagement zu installieren — und Ihre Installation würde dem entgegenstehen.
Habe ich Anspruch auf eine gewisse Ladeleistung?
Siehe oben: Nein, das Gesetz sieht nur eine “Lademöglichkeit” vor. Bei größeren Wohnanlagen kann es auch technische Gründe geben, die gegen eine hohe Ladeleistung sprechen. Allerdings würde ich davon ausgehen, dass normalerweise schon eine 3,6kW-Ladung (einphasig 16A) realisierbar sein sollte. Explizit in der Begründung erwähnt ist aber, das auch eine “Verbesserung der Lademöglichkeit”, also die Aufrüstung auf eine höhere Leistung,
Muss ich beim Auszug die Lademöglichkeit wieder abbauen?
Ja, der Vermieter kann darauf bestehen, seine Mietsache im Ursprungszustand zurückzuerhalten. Bei einer Wallbox ist das noch relativ einfach, denn die kann einfach von der Wand geschraubt werden. Komplizierter ist das bei der Elektroinstallation.
In der Praxis ergibt das jedoch eigentlich keinen Sinn, denn der nächste Mieter will vielleicht auch eine Lademöglichkeit haben. Daher wäre mein Rat, die Lademöglichkeit vom Vermieter anbieten zu lassen und im Gegenzug eine höhere Miete zu akzeptieren. Das ist für beide Seiten die einfachere Variante.
Kann mein Vermieter im Mietvertrag eine Lademöglichkeit ausschließen?
Nein, denn der §554 (2) erklärt eine entsprechende Regelung für unwirksam.
Muss der Vermieter in jedem Fall eine Lademöglichkeit schaffen?
Nein. Hier gilt wieder die Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters. Ist der Aufwand schlicht zu hoch, so muss der Vermieter keine Lademöglichkeit umsetzen. Was ein hoher Aufwand ist muss wohl durch die Gerichte geklärt werden, allerdings würde ich nicht davon ausgehen, dass eine einfache Erweiterung der Hausinstallation schon einen hohen Aufwand darstellt.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft will eine andere Ladelösung. Muss ich diese akzeptieren?
Ja. Es gibt lediglich einen Anspruch auf eine Lademöglichkeit. Wenn sich eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) zum Beispiel auf eine gemeinsame Ladelösung einigt, die ein Lastmanagement verwendet, so muss ich als Mieter diese Lösung akzeptieren. Ebenso könnte die WEG beschließen, das aus Lastmanagementgründen nur einphasige Wallboxen erlaubt sind — dann könnte kein Eigentümer bzw. sein Mieter eine dreiphasige Wallbox einbauen.
Ich will verbilligten Ladestrom nach § 14a EnWG nutzen. Geht das?
Für die Nutzung von vergünstigtem Ladestrom braucht man einerseits eine Wallbox, die den Ladevorgang unterbrechen kann. Und andererseits einen separaten Stromzähler, der den Ladestrom separat zählt. Es entsteht also ein Mehraufwand durch die Installation des Zählers und gegebenenfalls der Erweiterung des Zählerplatzes.
Die gute Nachricht: Alle baulichen Veränderungen an der Hausinstallation sind als Teil der Lademöglichkeit zu verstehen. In der Begründung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) findet sich auf S. 101 auch explizit der Hinweis, dass ein Zähler nach § 14a EnWG durchaus als Teil des Mieteranspruchs auf eine Lademöglichkeit zu verstehen ist.
Die schlechte Nachricht lautet allerdings, das es eben einen Interessensausgleichs zwischen Mieter und Vermieter gibt. Es kann also durchaus passieren, das der Vermieter den Aufwand scheut und daher kein separater Zähler realisierbar ist.
Fazit
Es gibt lediglich den Regierungsentwurf, aber schon jetzt ist klar, das viele Fragen erst im Laufe der Zeit durch Gerichte beantwortet werden. Dennoch lohnt sich ein Gespräch mit dem Vermieter schon jetzt, denn eine einvernehmliche Lösung liegt im Interesse aller Beteiligten.
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