Was bedeutet die Ladekurve meines Autos?

Technik Unterwegs

Der Porsche Taycan und der Hyundai Ioniq sind zwei sehr unterschiedliche Autos — und zwar nicht nur bei den Fahrleistungen oder bei der Größe des Akkus. Porsche gibt eine Ladeleistung von “bis zu” 265 kW an, Hyundai spricht bei der ersten Generation des Autos von 70 kW. Die beiden letzten Angaben zur Ladeleistung sind allerdings ziemlich nutzlos, denn die gemessenen Ladekurven liefern deutlich mehr Information:

Ladekurven Porsche Taycan und Hyundai Ioniq

In dieser Grafik ist auf der x-Achse der Ladestand in Prozent aufgetragen, und die y-Achse zeigt die Ladeleistung. Man kann also nachvollziehen, bei welchem Akkuladestand das Auto wie schnell lädt. Beim Ioniq fällt auf, das die Kurve recht flach ist und erst bei 75 % abfällt. Der Taycan beginnt bei 250 kW und bleibt grob bei dieser Leistung bis etwa 30 %, fällt dann auf etwa 150 kW und ab 70 % fällt die Ladeleistung schrittweise ab.

Bei genauem Hinsehen erkennt man auch, dass die beiden Kurven im Ladeverlauf jeweils leicht ansteigen. Diese leichte Steigerung ist größtenteils auf die steigende Akkuspannung zurückzuführen. Während dem Laden steigt die Akkuspannung, während der Ladestrom selbst konstant bleibt. Zumindest solange das Batteriemanagementsystem den Ladestrom nicht reduziert. Daher steigt auch die Leistung geringfügig mit der Spannung an.

Einen weiteren Einfluß hat die Temperatur: Ein warmer Akku kann etwas schneller geladen werden, und beim Laden selbst erwärmt sich der Akku. Die beiden Autos wurden vermutlich bei eher kaltem Wetter geladen, und der Effekt ist im Vergleich zur Spannungssteigerung recht gering. Umgekehrt kann die Ladeleistung natürlich auch im Ladeverlauf einbrechen, wenn der Akku zu warm wird. Dafür ist die zweite Generation des Nissan Leaf (“Rapidgate”) leider bekannt.

Bei beiden Kurven sieht man auch, das die Ladeleistung zum Ende hin stark absinkt. Das ist typisch und kommt daher, das einzelne Zellen des Akkus nahezu voll sind, während andere noch Strom aufnehmen können. Das Batteriemanagement passt den Ladestrom entsprechend an.

Deshalb ergibt es unterwegs meistens keinen Sinn, den Akku ganz vollzuladen: Das dauert einfach zu lange. Geschickter ist es, weiterzufahren, wenn die Ladeleistung vom Fahrzeug heruntergeregelt wird. Es sei denn, Sie haben die richtige Strategie für die Ladeweile gefunden und vergessen die Zeit ;-).

Ladekurven 20-80% von Porsche Taycan und Hyundai Ioniq

Als Benchmark für die Ladegeschwindigkeit ist daher die durchschnittliche Ladegeschwindigkeit zwischen 20 % und 80 % viel sinnvoller als die maximal erreichbare Ladegeschwindigkeit. Einen entsprechender Vergleich ist der P3 Charging Index, der einen ersten Anhaltspunkt gibt, wie schnell unterschiedliche Autos denn in der Praxis laden.

Aber auch ansonsten kann die Ladekurve recht hilfreich sein. Bei einer Renault Zoe Q210 hängt die Ladeleistung sehr stark von der Temperatur des Akkus ab. Auch wenn es weniger energieeffizient ist: Es kann bei einer Autobahnfahrt im Winter durchaus sinnvoll sein, gezielt schneller zu fahren, um den Akku auf Temperatur zu bringen. Der anschließende Ladestop verkürzt sich dann, weil die Ladeleistung höher ist.

Es lohnt sich also, die Ladekurve des eigenen Autos zu kennen und nicht nur auf die maximale Ladeleistung zu achten. Bei Fastned findet man viele Ladekurven unterschiedlicher Fahrzeuge, hier zum Beispiel die Ladekurven unterschiedlicher i3-Modelle. Ein Blick lohnt sich!

Die Messdaten in den beiden Grafiken oben hat Bjorn Nyland unter einer CC0-Lizenz veröffentlicht. Vielen Dank!

Unterstützen

Hier gibt es keine Werbung, denn ich schätze meine Unabhängigkeit. Ich schreibe diese Texte nicht, um reich zu werden — aber ich mag Kaffee. Wenn Ihnen der Text also eine Kleinigkeit wert ist: Hier geht es zu meiner Kaffeekasse, vielen Dank!